Dienstag, 3. Dezember 2013

Vorsicht vor dem Schwanzlurch!

Mitte November hatte ich die wunderbare Gelegenheit, beim Microsoft-Blogger-Literaturwettbewerb #einfachmachen teilzunehmen. Die Grundfrage des Wettbewerbs drehte sich um die Zukunft von Literatur im digitalen Zeitalter und natürlich auch darum, mit welchen technischen Möglichkeiten heutzutage Literatur erschaffen werden kann.
Dabei wurden uns Teilnehmern von Microsoft ein Nokia Lumia und ein Surface Pro samt des Office356-Gesamtpakets zur Arbeit bereitgestellt - eine spannende Erfahrung, die ich an anderer Stelle noch ausführlicher behandeln werde. Heute will ich euch meinen Wettbewerbsbeitrag vorstellen, den ich mit der Hilfe meiner Facebook-Freunde und -Follower erstellt habe. Mein Grundgedanke war, wie man als Autor in der Zukunft auch arbeiten könnte, da ich das Sinnbild des Autors im Elfenbeinturm für nicht mehr zeitgemäß halte. Und da lag natürlich die Interaktion mit dem künftigen Leser und der künftigen Leserin auf der Hand.

Bild (c) Microsoft
Also habe ich meine Crowd beteiligt - nach einem Startartikel mit dem Themenschwerpunkt 'Frau wird von ihrem Mann betrogen und will sich an ihm rächen - was könnte sie tun?' habe ich eine Frage dazu an meine Crowd gestellt und aus den Antworten mit etwas zeitlichem Abstand den Folgetext geschrieben.
Nach diesem Folgetext gab es eine neue Frage, und so weiter - bis am Ende 'Anjas Tagebuch' in Kurzversion geboren war. Eine Frau, ein betrügerischer Mann, ihre Freundinnen, 28 Stunden Zeit für den Wettbewerb. Und eine Rache, die eiskalt serviert wurde. Viel Vergnügen beim Lesen - das Schreiben hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mit dem Gedanken spiele, aus Anjas Story ein Buch zu machen. Natürlich mit noch mehr Rache und noch mehr Schwanzlurchigkeit ... ;)

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 Montag, 20. Mai - Auszug aus Anjas Tagebuch
                                                                                                                              
Dieses verdammte Arschloch! Normalerweise benutze ich solche Worte nicht. Jedenfalls nicht, wenn ich von meinem Freund spreche. Was heißt Freund! EXFREUND! Wir sind die längste Zeit ein Paar gewesen! Nie hätte ich von ihm erwartet, dass er auch zu der Sorte von blöden Schwanzlurchen gehört, die ihr angeblich kostbarstes Körperteil auch mit anderen Frauen benutzen würden, während sie in einer festen Beziehung sind. Aber hey, ich hatte ja auch gedacht, er würde mich nicht anlügen.

Total falsch gedacht! Jetzt ist es amtlich und nicht mehr zu leugnen. Außer ich hätte mir das Bild von ihm und seiner neuen Tussi aus dem Gehirn gebrannt. In meiner teuren Baumwollbatist-Bettwäsche haben sie es getrieben, zwischen meinen blütenweißen Kissen. Als wäre ich in seinem Leben nicht einmal vorhanden oder allenfalls de Inneneinrichter.

Eigentlich hatte er mir immer versichert, dass er nicht auf die billige Sorte Tussi steht. Also diese Art Mädels mit dem wasserstoffblonden Haar, bei dem man die Ansätze noch sehen kann. Mit T-Shirts, die über gepushten Brüsten spannen und auf denen in Glitzerschrift Begriffe wie "Superzicke" oder "Bitch" prangen. Die sich mehr über Schminke und Klamotten definieren als über die Bücher, die sie gerne lesen. Falsch gedacht! Ich muss so blind wie ein Backstein gewesen sein oder wollte es nicht sehen.
Dafür durfte ich dann umso genauer betrachten, wie sich mein EXFREUND mit seiner TUSSI durch unsere Kissen wühlt. Inklusive brünftigem Stöhnen und lautstarken "Ohohohohoh"-Geräuschen. Geräusche, die er bei mir definitiv nie gemacht hat.

Wahrscheinlich steht er auch auf Dirty Talk und hat sich bisher nie getraut, mir etwas zu erzählen. Ich weiß es nicht. Momentan frage ich mich eher, ob ich überhaupt etwas von dem weiß, wie er eigentlich ist. Oder ob er mir die ganze Zeit irgendetwas vorgespielt hat. Etwas weniger schwanzlurchiges und mehr Ehemanntaugliches.
Ich weiß nicht, was mir mehr wehtut. Dass er mich verarscht hat oder dass er mich ausgerechnet mit so einer Frau betrogen hat. Wenigstens war er beschäftigt genug, um nicht zu bemerken, dass ich ihn in flagranti ertappt habe.


Dass ich mit so jemandem noch länger zusammen bleibe, ist absolut indiskutabel. Vor allem, weil ich mit blonden Haaren wirklich beschissen aussehe und nicht vor habe, mir rosa Tops mit Glitzerschrift anzuziehen. Ganz zu schweigen von diesen billigen Flitterohrringen aus dem "BijouBrigitte" für 5 Euro. Wenn aber zusammenbleiben und ihm die Sache irgendwie verzeihen nicht in Frage kommt, was bleibt mir dann?

Seine derzeitigen Besitztümer mit einem launigen Text über seine Schwanzlurchigkeit auf EBAY versteigern? Seine Stereoanlage aus dem Fenster werfen - es sind immerhin vier Stockwerke? Ihn mit einer großen Szene aus dem Haus jagen? Mich auf eine kreative Art und Weise rächen und mich dabei dafür entschädigen, was mir dieser Arsch emotional angetan hat?
Rächen klingt irgendwie gut. Selbst der Pate ist der Ansicht, dass sich Rache lohnt. Er ist zwar nur eine Filmfigur, aber momentan erinnert mich mein Leben ohnehin eher an eine schlechte Soap. Den Drehbuchschreiber würde ich gerne feuern. Oder bis zum Abspann vorspulen. Nächste Folge bitte. Dann mit einem netten Seelentröster, der die Betrogene wieder aufrichtet.


Donnerstag, 23. Mai - Auszug aus Anjas Tagebuch

Der Schwanzlurch - ich nenne ihn jetzt einfach nur noch Schwanzlurch, weil er genau das ist - tut nach wie vor, als wäre nichts. Auch dass ich außerhalb der Reihe unsere Bettwäsche in die Waschmaschine gesteckt habe, ist ihm nicht aufgefallen. Aber eigentlich ist das auch nicht erstaunlich. Haushaltliche Eigenheiten gehen an ihm in der Regel weit vorbei. Ich muss ihm schon extra sagen, dass er den Müll mit hinunter nehmen soll.
Selbst ein Himalaya an Joghurtbechern im Gelber-Sack-Mülleimer lässt ihn unbeeindruckt daran vorbei laufen. Er löffelt dann den nächsten Joghurt auf und platziert den Becher kunstvoll oben auf dem schwankenden Stapel. Wenigstens macht er derzeit viele 'Überstunden'. Wie die aussehen, kann ich mir gut vorstellen!

Bin leider noch nicht so ganz mit meinem Racheplan weiter gekommen. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Ich kann mich nicht wirklich entscheiden, was ich davon alles machen werde.  Der Mädelsrat war einfach zu kreativ! Natürlich hatten sie alle spontan Zeit, als ich sie zum Kaffee und meiner hochgelobten Philadelphia-Torte eingeladen habe. Schon alleine wegen der Torte wären sie alle hergekommen, aber noch mehr dürfte sie die Aussicht darauf motiviert haben, sich Rachemethoden für den Schwanzlurch auszudenken. Er war in meinem weiblichen Freundeskreis nämlich keineswegs beliebt.

Bine hat mir geraten, es mit Voodo auszuprobieren. Eine kleine Wachspuppe, ein paar fiese spitze Nadeln aus meinem Nähnecessaire, die ich ohnehin nie benutzt habe, und ein paar Haare vom Haupt des Schwanzlurchs, und schon hätte ich die perfekte Lösung. Ich dürfte nur nicht zu viel auf eine Stelle pieken, damit es ihm nicht auffällt.
Da ich aber handwerklich eher unbegabt bin und die Puppe zumindest ein bisschen lebensecht aussehen soll, war das keine echte Opton. Bis auf Sarah waren auch alle Mädels dafür, dass ich mich rächen soll. Aber Sarah gehört auch zu den Leuten, die ein Fleisch essen möchten, weil es ihnen ihr Gewissen verbietet.

Damit hab ich meistens kein Problem (außer bei Gartenpartys, bei denen ich dann immer noch etwas vegetarisches vorbereiten muss), aber hilfreich war es eben nicht. Susanne war auf jeden Fall dafür, dass ich mich räche - aber ich solle Hirn und Herz beweisen. Momentan wäre meine bevorzugte Art wohl eher etwas mit einer Kettensäge, aber okay. Hirn und Herz klingt auch nicht schlecht. Bille war für eine "der Schwanzlurch ist ein Arschloch"-Seite auf Facebook, auf der auch andere betrogene Frauen ihre Meinung äußern können.
Klar ist auf jeden Fall, dass ich ihn aus der Wohnung werfen werde. Ich weiß noch nicht wie, aber es wird geschehen. Am besten überraschend und so, dass er es nicht kommen sieht. Mit einer Überraschung wie ein Paukenschlag.

Mariannes Vorschlag scheint mir noch der praktischste: Es im einfach durch eine eigene Affäre heimzahlen. Natürlich nur, wenn der Typ besser aussieht und jünger ist, und am besten noch mehr verdient als der Schwanzlurch, damit es am Selbstbewusstsein so richtig schön kratzt. Natürlich muss ich diesem Mister Right auch noch begegnen.
So einen trifft man nicht bei REWE vor dem Gemüseregal. Wo also soll ich diesen Kerl finden? Vielleicht sollte ich es doch lieber mit der Vodoopuppe versuchen. Dass das klappt, ist wahrscheinlicher als das mit Mr. Right. Hey, Drehbuchschreiber: Jetzt wäre Dein Einsatz für einen Mann, der die Bezeichnung auch wert ist.


Sonntag, 26. Mai - Auszug aus Anjas Tagebuch

Habe gestern ein gefärbtes blondes Haar von einem Pulli des Schanzlurchs gesammelt. Das hat mir gelinde gesagt die Sache so verdorben, dass ich seine Wäsche nicht waschen wollte, wie ich es immer am Samstag mache. Das fand er befremdlich und argumentierte eine halbe Stunde lang ausgesprochen schwammig herum, dass ich das machen müsse und er davon ja keine Ahnung habe. Dass ich seit der Entdeckung nicht mehr mit ihm schlafen wollte und abwechselnd Kopfschmerzen, Müdigkeit und meine Tage vorgeschoben habe, war ihm da irgendwie weit weniger wichtig. Aber klar, seine neue Tussi wäscht ja auch nicht seine Wäsche. Das merkt er dann schneller als das Fehlen von Sex.

Dafür hat mich Bine heute auf einen Mittelaltermarkt geschleppt. So richtig mit Rittern in Rüstung, auf Pferden und mit altertümlicher Sprache. Auf so einem Markt nennt einen jeder Verkäufer hübsche Maid und die Unmengen konsumierter Met haben aus dem eher trüben Wetter eine ziemlich angenehme Sache gemacht. Wärmt eben von innen, das Zeug. Dass wir dann auf echt peinliche Art und Weise jeden Typen angegraben haben, der aussah, als wäre er ein Teil der Mittelalterdarsteller, war wohl auch die Schuld des Mets.
Auch wenn da keiner dabei war, der meiner zwingenden Anforderung jung, reich und guttaussehend entsprochen hätte, war es doch mal wieder angenehm, sich als Frau nicht wie ein Möbelstück, Bedarfsbefriedigungsobjekt und Haushaltsmuttchen zu fühlen. Denn flirten können sie, die Rittersleut!

Als ich Bine erzählt habe, dass ich mir jetzt einen Ersatzmann beschaffen will, hat sie prompt eine ganze Latte an Ideen hervorgezaubert, bei der ich bessere Chancen haben würde, einen Kerl kennenzulernen. Vor allem einen, der nicht seine ganze Freizeit mit der Fahrt zu Mittelaltermärkten verbringt und sich mit seinen Freunden über die Authentizität von Nestellöchern unterhält. Ich habe ehrlich gesagt immer noch nicht ganz verstanden, was das eigentlich sein soll! Also kein Ritter für mich. Da könnte ich mir ja auch gleich einen dieser Zocker anschaffen, die ihr Leben in "World of Warcraft" verbringen und bei Online-Singlebörsen Anzeigen wie "Ork sucht Elfe" aufgeben. Und wahrscheinlich auch keinen Insekten- oder Reptilienforscher. Das war nämlich auch einer ihrer seltsamen Tipps.

Ich soll mich im Zoo in das Exotarium stellen, von wegen hautschmeichelnder Schummerbeleuchtung, in der man die Fältchen nicht sieht, und dann nach brauchbarem Material Ausschau halten. Wie ich mein Glück kenne, finde ich dann den durchgedrehten Typen, der eine riesige Insektensammlung an seine Wand gespießt hat und mit im verschwörerischen Ton über einer Krötenplantage zuraunt: "Wussten Sie, dass diese Krötenart LEBENDIG gebärt?" Sowas will doch niemand wissen! Der nächste Vorschlag war gar nicht so blöd: In IT-Hochschulen soll die Chance groß sein, zum einen verzweifelt suchende Männer in freier Wildbahn anzutreffen - IT-ler sind wohl nicht die begehrteste Spezies auf dem Markt.

und zum anderen haben IT-ler eine große Chance, später ziemlich gut zu verdienen. Wenn sie ihren Abschluss schaffen. Andererseits finde ich die Dichte an IT-Nerds mit Karohemd und Star-Trek-Hobbies doch ein bisschen abschreckend. Kreativ ist Bine ja, aber ob ich davon jemals etwas durchführen werde?
Da hatte die Nachbarin von nebenan, eine fast schwerhörige alte Dame, noch den besten Vorschlag. Als ich sie fragte, wo ich einen reichen, gutaussehenden und jüngeren Mann finden könne, meinte sie nur trocken: "Einen reichen Mann woll'n Sie doch ohnehin nicht, der wird Ihnen von seinem Geld nichts abgeben. Und wenn Sie gutaussehend und jung wollen, na dann mieten Sie doch einen! Der muss dann auch tun, was Sie wollen!"
Ich glaube, ich will gar nicht wissen, wo sie ihr Männerbild her hat, aber die Idee hat durchaus ihre Vorteile. Das heißt, wenn ich den Besuch von Schwiegermuttern überlebe, die sich für Dienstag angesagt hat. Darauf freue ich mich jedes Mal wie auf eine Wurzelbehandlung …


Donnerstag, 30. Mai - Auszug aus Anjas Tagebuch
                                                                                                                              
Wahrscheinlich drehe ich bald eine Fortsetzung von "Kettensägenmassaker", diesmal allerdings nur mit zwei Beteiligten. Mir und Schwiegermuttern, die sich nicht darüber bewusst ist, dass sie sich einen Schwanzlurch herangezogen hat. Selten war ich bei einem ihrer Besuche so sehr in Versuchung, sie einfach mit Anlauf aus dem Fenster zu stürzen. Aber immerhin ist mir jetzt auch klarer, woher der Schwanzlurch seine ganzen miesen Angewohnheiten hat.

Denn Schwiegermuttern ist ein Paradebeispiel für eine Königinmutter, der keine Frau gut genug für ihren Prinzen ist. Die Frau, mit der sie zufrieden wäre, gibt es ganz einfach nicht. Ich bügle die Hemden nicht richtig, ich koche nur neumodischen Kram, den ihr Sohnemann ja nicht gewöhnt ist und überhaupt koche ich nie genug. Ein Mann könne von diesen winzigen Portionen ja nicht satt werden!

Das sieht man hervorragend an Schwiegervattern, dessen Bauch an eine Schwangere im neunten Monat erinnert und der mit dem Treppensteigen immer mehr Probleme hat. Wenigstens ist er mir erspart geblieben. Seine "ich war ja mal Stuffz bei der Bundeswehr"-Sprüche und sein rechthaberisches, pseudomilitärisches Geschwätz hätte ich wirklich nicht ertragen. Zurück zum Schwanzlurch und seiner Mutter. Sobald sie in unsere Wohnung wie ein Schlachtschiff auf Angriffskurs eingelaufen war, trug sie ihrem liebsten Sohnemann alles hinterher. Kommentare über meinen schlampigen Haushaltsstil inklusive.

Und ich könne ja eben noch ein paar Briefe für sie zur Post bringen, mein Hintern sei ohnehin zu dick, mir könne die Bewegung nur guttun. Spätestens in diesem Moment hatte ich Lust auf eine ganz andere Form der Körperertüchtigung, die sehr viel mit Kettensägen zu tun hätte. Stattdessen habe ich einfach den Mund gehalten. Denn spätestens wenn ich den Schwanzlurch rausgeworfen habe, bin ich auch seine Mutter los, die erbarmungslos das letzte Stück Kuchen von der Kaffeetafel vertilgt hat, weil es schließlich weg musste. SIE hat ihre Pflicht an der Menschheit durch die Geburt ihres Sohnes schon getan und darf dick werden.

Habe mich dafür aufs Internet gestürzt und eine interessante Selbsthilfeseite gefunden. Dort haben Leute, denen genau dasselbe passiert ist wie mir, Fotos von sich gemacht, um ihr Entsetzen, ihre Trauer und Wut zu dokumentieren.
Es war erschreckend, wie viel davon ich bei mir wiedererkannt habe. Jedes einzelne Bild. Aber es war auch tröstlich, nicht die einzige auf der Welt zu sein, die das durchmachen musste. Frau Schmitt, die Nachbarin mit dem 'miete Dir einen Mann'-Tipp, hat mir unbeabsichtigt eine Lösung des Schwanzlurch-Problems geholfen. Nächste Woche hat sie den Sperrmüll bestellt, an einem Tag, bei dem der Schwanzlurch über Nacht zu einer "Fortbildung" fahren muss.
Wo er sich da genau "fortbildet", kann ich mir denken. Ich werde einfach sein ganzes Zeug auf den Sperrmüll stellen. Und für den kommenden Abend einen Mann mieten!


Dienstag, 4. Juni - Auszug aus Anjas Tagebuch
                                                                                                                            
Rache ist süß, sagt man - und in meinem Fall kann ich das nur aus ganzem Herzen bestätigen. Heute hat der Schwanzlurch bekommen, was er verdient hat. Eine Rache in zwei Akten, sozusagen. Der erste Akt war die Vorbereitung. Da der Schwanzlurch am Sonntag abend zu seiner "Fortbildung" aufgebrochen ist, konnte er nicht mitbekommen, dass am Montag brav alle Mädels bei mir aufgeschlagen sind. Dieses Mal brauchte ich nicht einmal eine Philadelphia-Torte, um sie zu motivieren. Die Aussicht, meinem EXFREUND eine Lektion zu erteilen, hat sie schon von ganz alleine zu mir getrieben.
Wir haben uns ordentlich ins Zeug gelegt und alles zusammen gesucht, was der Schwanzlurch in unsere Wohnung geschleppt hat. Seine gräßlichen Techno-CDs, die Hip-Hop-Alben, sein abgenutztes Skateboard, das er seit Jahren nicht mehr benutzt hatte und das nur zur Erinnerung an seine coolen Skaterzeiten bei mir herum stand. Sein Bierkasten, seine vielen Leitz-Ordner mit Studiennotizen, seine Piloten-Lederjacke und Unmengen mehr Krempel, den er wild in allen Zimmern verteilt hatte.

Dabei ist mir erst jetzt aufgefallen, dass alle Haushaltsgegenstände wie Küchengeschirr und sonstige praktischen Dinge mir gehören, und aller unsinniger Bespaßungskram wie seine X-Box und ein riesiger Stapel Spiele, Sportutensilien und ein Berg Plastik-Modell-Figuren von irgendeinem Fantasy-Kriegsspiel von ihm stammten. In meiner damaligen Verliebtheit beim Zusammenziehen habe ich das nicht einmal gemerkt, sondern war über jedes Zeichen seiner Anwesenheit in meinen vier Wänden dankbar. Ich Riesendödeline!

Am Ende waren es etwa vierzehn Kartons mit Krempel, die ihren Platz neben dem Sperrmüll von Frau Schmitt fanden. Natürlich noch geschlossen, damit Passanten das Zeug nicht einfach mitnehmen - der Schwanzlurch sollte schließlich noch seine Chance bekommen. Danach habe ich den Schlüsseldienst angerufen und das Türschloss auswechseln lassen. Natürlich bekommt der Schwanzlurch keinen der neuen Schlüssel - dafür Frau Schmitt für's Blumengießen, wenn ich mal im Urlaub bin.
Gemeinsam mit den Mädels habe ich noch ein Bier getrunken. Nach einem anstrengenden halben Umzug ist ein Bier einfach erfrischender als alles andere. Die Mädels haben sich in bunten Farben das Gesicht von meinem EXFREUND ausgemalt, wenn er mitbekommt, was hier abläuft, aber sie kamen bei weitem nicht an das Original heran.

Ich hatte schon am Freitag einen netten, jungen Herrn kennengelernt, der mir von der Begleitagentur "Gentlemen & Co." wärmstens empfohlen worden war. Ein junger Mann Mitte zwanzig, im Besitz eines perfekt passenden Designeranzugs, der ihm hervorragend steht. Und mit einer Menge Muskeln, braun gebrannter Haut und einer Frisur, die ein Filmstar nicht passender tragen könnte.
Kurz, der fleischgewordene Frauentraum, für 500 Euro für ein paar Stunden. Aber das war mir die Sache dann wert. Gegen Abend traf er bei mir in der erfreulich ordentlichen und aufgeräumten Wohnung ein, mein Stichwort, um den Schwanzlurch per SMS davon in Kenntnis zu setzen, dass sein gesamter Krempel für den morgigen Sperrmüll auf der Straße steht.

Er versuchte mich natürlich sofort anzurufen, aber ich hatte das Telefon ausgesteckt und das Handy nach seinem ersten Anruf ausgeschaltet. Ich war mir sicher, dass er keineswegs dreihundert Kilometer entfernt bei seiner angeblichen "Fortbildung" sein würde, sondern in der Nähe. So dauerte es auch keine halbe Stunde, bis sein Auto vor dem Haus in eine Parklücke raste und er mit Entsetzen feststellte, dass ich in meiner SMS nicht gelogen hatte. Hektisch lief er einige Momente lang auf der Straße hin und her, dann rannte er auf die Haustür zu.
So schnell war er die vier Treppen bis zu meiner Wohnung noch nie hochgerannt. Ich hatte die Türe angelehnt gelassen, er sollte nicht sofort merken, dass sein Schlüssel nicht passte. Drinnen empfing ihn schummeriges Licht, überall brannten Kerzen, es lief Schmusemusik, und ich saß mit meinem gemieteten, wirklich ausgesprochen leckeren, jungen Mann im Designeranzug auf dem Sofa und knutschte heftig mit ihm.

Natürlich war der Kuss nicht echt, aber er sah echt aus, und darauf kam es an. Der Schwanzlurch sah aus, als würde ihm alles aus dem Gesicht fallen. Natürlich schrie er herum, dass ich ihn betrügen würde, und wie ich es wagen könne, sein Zeug rauszuwerfen. Als ich ihm allerdings erklärt hatte, dass ich sein kleines Geheimnis schon seit einiger Zeit kenne und ihm dann darlegte, wohin er sich seinen Krempel stecken kann, wurde er still. Drohte. Fluchte. Bis mein wundervoller gemieteter Mann ihn kraft seiner Fitness-Studio-gestählten Muskeln zur Tür hinaus warf und diese hinter ihm schloss.

Nächste Überraschung: Der Schlüssel des Schwanzlurchs passte nicht mehr ins Schloss. Er tobte so lange vor sich hin, bis die unersetzliche Frau Schmitt die Polizei rief. Diese Version war fast noch besser als die im Voraus ausgemalte. Triumph! Es fühlte sich einfach unglaublich an. Als wäre mir ein Stein, nein gleich ein ganzes Gebirge vom Herzen gefallen. Meine ganze Welt sah in diesem Moment so viel angenehmer, wärmer, toller aus, als hätte ich ein Komplett-Makeover meiner Wohnung gewonnen und könnte gerade die Ergebnisse genießen. Meine Welt war mit nur einigen kleinen Dingen wieder im Lot, und aus der Betrogenen wurde ich zur Gewinnerin.

Und zu der Frau, die den Polizisten genau erklärte, warum die Sachen des Schwanzlurchs auf der Straße stehen, dass ich alleine im Mietvertrag stehe und keinerlei Grund sehe, den Schwanzlurch nochmal bei mir aufzunehmen. Einer der beiden Polizisten musste ein Grinsen mühsam unterdrücken, als ich die ganze Geschichte erzählt habe. Auf jeden Fall ist der Schwanzlurch kein Teil meines Lebens mehr, und das ist gut so.
Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt. Heute habe ich das Ganze mit den Mädels gefeiert und wir haben uns gegenseitig versprochen, die anderen genauso zu unterstützen, falls ihre Kerle sie einmal so linken würden. Man kann ja nie wissen. Eigentlich will ich jetzt erst mal keinen neuen Mann, sondern meine Freiheit genießen. Und mal sehen, was das Leben für mich bereit hält! Lass Dir was einfallen, Drehbuchschreiber...

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