Mittwoch, 10. Juli 2013

Mögest Du von Luft und Liebe leben, Autor!

Es gibt sie immer wieder, diese Momente, in denen man als Schreiberling, gemeinhin auch gerne als Schriftsteller oder Autor bezeichnet, sich sehr zurückhalten muss, nicht mit den Zähnen ins Keyboard zu beissen. Dieser kurze Augenblick, in dem der Zorn derart heiß hochkocht, dass es ein Segen ist, dem Anderen nur virtuell, nicht in realer Person gegenüberzustehen. Denn an manchen Tagen scheint sich die Welt in zwei Hälften ihrer Bewohner zu teilen:
Denjenigen, die nachvollziehen können, dass man mit seinem kreativen Output seinen Lebensunterhalt bestreiten möchte, und den anderen.

Jene anderen, die einem auch gerne mit der lässig-lockeren Phrase "Wieso, das macht Dir doch Spaß, wieso soll ich dafür etwas bezahlen?" entgegen treten und sich dann sehr wundern, dass man keinerlei Lust mehr hat, auch nur ein müdes Lächeln herauszupressen. Jeder Kunsthandwerker, Zeichner, Schneider, Autor oder sonstwie kreativ Tätige dürfte die Situation zur Genüge kennen. Denn wo auch immer man enthüllt, dass man eine bestimmte Sache beherrscht, finden sich auch andere, die davon am liebsten kostenfrei profitieren möchten.
Selbst Automechaniker erleben derlei für gewöhnlich und müssen ihren Möchtegern-Profiteuren erklären, dass sich vielleicht ihre Arbeitszeit noch aus reinem Freundschaftsdienst mit einem Kasten Bier abgelten lässt, die Kosten der Ersatzteile aber noch lange nicht.

Was ist eigentlich so schwer daran zu verstehen, dass auch eine Arbeit, die Spaß macht, bezahlt werden soll? Als Autor in Self-Publisher-Kreisen offen seinen Wunsch nach angemessener Bezahlung zu bekunden, stößt oft genug auf das mangelnde Verständnis jener, die den Künstler wohl am liebsten entrückt in seiner Dachkammer sehen würden, darbend, einsam, allein dem Kunstschaffen zugeneigt.
Doch der hungernde Künstler ist eines der schlimmsten Bilder, die sich meiner Ansicht nach wie ein mutiertes Zombie-Virus in das Bewußtsein der Allgemeinheit eingefressen hat. Spitzwegs 'armer Poet' mag vielleicht für das romantische Verständnis ein passendes Projektionsbild gewesen sein, doch davon lassen sich Vermieter, Versicherungen und Supermarktverkäufer in der Regel nur wenig beeindrucken.

Wer dauernd nur darüber nachdenken muss, woher er die nächsten Euros für sein Abendessen herbekommt und wie wenig er sich dafür leisten kann und darf, wird sich nicht mit vollem Herzen auf seine Arbeit konzentrieren können.
Nicht umsonst gibt es für viele kreative Schaffensbereiche den beliebten Agenten, der sich darauf konzentriert, Aufträge für seine Künstler heranzuschaffen, damit sich die Künstler auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren dürfen. Es funktioniert nun einmal nicht wie die Werkstatt an der Straßenecke, bei der die Laufkundschaft den öllecken Wagen vorbei bringt. Zumindest mir ist es noch nicht passiert, dass irgendwer an meiner Haustür Sturm geklingelt hätte, um händeringend nach einem Text oder einer Illustration zu verlangen - auch wenn es sicherlich ein sehr interessantes Bild wäre.

Amüsanterweise kommen die Möchtegern-Kostenlos-Abgreifer nicht auf den Gedanken, einer Putzfrau das Recht abzusprechen, für ihre Arbeit bezahlt werden zu wollen. Ich habe auch noch nie gehört, dass jemand zu einer Putzfrau im lockeren Salon-Tenor gesagt hätte, dass sie sich doch im Wohnzimmer eben mal nützlich machen könne, sie hätte schließlich Spaß daran. Und das liegt sicherlich nicht nur daran, dass die beiden Worte 'putzen' und 'Spaß' selten in einem Satz positiv miteinander verknüpft werden.

Warum also kann sich der Ottonormalsterbliche nur schwer vorstellen, dass kreatives Schaffen in egal welcher Form auch Arbeit ist?
Weil er in der Regel keine Ahnung davon hat, wieviel man können muss, um die Tätigkeit erfolgreich über lange Zeit auszuüben. Wieviel Zeit und Geld es kostet, sich auf ein brauchbares, konkurrenzfähiges Level zu bringen. Wieviel Zeit und Geld man investieren muss, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und sein Können fortlaufend zu erweitern. Es mag für Schriftsteller in Deutschland vielleicht keinen klassischen Ausbildungsweg geben, doch die handwerklichen Notwendigkeiten muss man sich dennoch aneignen. Meist über die zeitaufwendige Trial-and-Error-Methode - und auch während dieser Zeit muss der hoffnungsvolle Aspirant von irgend etwas leben. Freigiebiege Ehegatten, Mäzene und sponsorende Eltern fallen leider nicht vom Himmel.

Inzwischen bin ich so weit, dass ich über Anfragen wie 'Kannst Du mir nicht mal meinen Charakter zeichnen?' oder "Darüber könntest Du doch was schreiben, mit meinem Charakter darin, wie wärs?" wirklich nur noch lächle. Irgendwie abgeklärt. Mit dem inneren Ringen, ob ich demjenigen meine allseits beliebten Vergleiche wie "Und morgen gehst Du im Restaurant essen, bezahlst nicht und sagst dem Koch, dass Du es kostenlos willst, weil er seinen Job doch liebt?" an den Kopf werfen soll oder nicht.
Oder ob ich einfach nur weiterlächle und mich mit meiner Arbeitslast entschuldige, die derlei leider nicht zulässt, denn zahlende Kunden hätten Vorrang, und von denen hätte ich derzeit sehr viele.
Damit halse ich mir dann zwar auch halbjährliches Nachfragen nach meiner Arbeitslast mit dem stillen "Vielleicht hat sie ja doch Zeit"-Gedanken im Hinterkopf auf, aber auch dann reicht das Lächeln meist aus.
Denn ich bin stolz darauf, mit meiner Arbeit ein Level erreicht zu haben, bei dem verständige Menschen verstehen, dass ich dafür bezahlt werden will. Und das muss wohl reichen. Ich kann keine Autos reparieren, putze furchtbar, koche auf 'man kanns zuhause gut essen' Niveau und besitze auch sonst eher wenige Fähigkeiten, die mich für andere Jobs qualifizieren würden. Da verlasse ich mich gerne auf Fachpersonal, auf Leute, die wissen, was sie tun. Und bezahle sie klaglos, weil ich ihre Kompetenz anerkenne.

2 Kommentare:

  1. Ich mach das jetzt seit 30 Jahren mit Comic, Drehbuch, Game und Buch. Man lernt,mit fundamentaler Dummheit umzugehen.Man erkennt sie folgendermassen:Es gibt dieses Bild von Arbeit(das ist etwas Zwanghaftes für Geld, das keinen Spaß macht)und dieses Bild von Hobby(das ist was Kreatives,das Spaß macht, aber kein Geld bringt).Diese unnatürliche, unzulässig vereinfachte und letztlich sinnlose Haltung dem eigenen Lebensentwurf gegenüber bezeichne ich als Dummheit.Ein untrügliches Zeichen dieser Dummheit ist zusätzlich, wenn jemand der Meinung ist, daß kreativem Tun kein erlernbares Handwerk zugrunde liegt. Daher bezeichne ich Menschen, die kreativen Erfolg alleine irgendeinem gottgegebenen Talent zuschreiben, ebenfalls als dumm.Aber Vorsicht: schon Einstein wußte, das Dummheit das einzig Unendliche im Universum darstellt. Insofern haben wir es bei der Dummheit mit einer ungeheuren, destruktiven Macht zu tun.Sie verursacht Diktaturen, Kriege, Diskriminierung, und "löst" Probleme mit Gewalt, Gesetz, und Zwang. Die Dummheit selbst ist also das vornehmste Thema der Literatur, besonders der unterhaltsamen. Daran wird es nie einen Mangel geben.Insofern kommt der Kreative am besten mit der Dummheit klar, indem er sie sich reichlich vorführen läßt, und sie interessiert studiert.Tragisch: Da er selbst nicht dumm ist, versteht er, daß er sie nie ganz begreifen wird, denn sie wäre nicht, was sie ist, wenn man sie begreifen könnte.

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  2. Schöner Artikel. Ich hatte das Problem bisher nicht - weil nicht nicht professionell als Schriftsteller tätig bin. Vielleicht gibt sich das ja, wenn die Leute mal über die Thematik nachdenken.

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